Digitale Fallweitergabe zwischen 116117 und 112
Eine einfache, bundesweite Weiterleitung von Einsätzen zwischen Leitstellen? Klingt vielversprechend und könnte in naher Zukunft tatsächlich Realität werden.
Die Rufnummer 116117 des Patientenservice ist deutschlandweit gültig und wird von den kassenärztlichen Vereinigungen (KV) der einzelnen Bundesländer betrieben. Der Service spielt eine wesentliche Rolle im deutschen Gesundheitssystem: Er richtet sich an Patienten, die medizinische Unterstützung benötigen, sich aber in keiner lebensbedrohlichen Situation befinden. Trotzdem kommt es gelegentlich vor, dass über die Rufnummer 116117 lebensbedrohliche Ereignisse gemeldet werden. In solchen Fällen ist es von großer Bedeutung, dass die zuständige Rettungsdienst-Leitstelleso schnell und präzise wie möglich über das Ereignis informiert wird und so eine umgehende Hilfe vor Ort gewährleistet ist.
Um dies zu ermöglichen, wurden herstellerspezifische Schnittstellen zwischen der KV und den angrenzenden Leitstellen etabliert. Diese Schnittstellen ermöglichen in der Regel eine gute Kommunikation, haben jedoch ihre Grenzen, wenn es darum geht, länderübergreifend zu operieren. Zudem entstehen auf beiden Seiten immer wieder große technisch-administrative Aufwände, wenn Leitstellensysteme von bisher nicht angebundenen Herstellern integriert werden müssen. Dies betrifft vor allem die Bereiche, in denen Fax und Telefon nicht mehr genutzt werden und eine digitale Vernetzung erforderlich ist.
Diese Defizite sollen nun im Rahmen einer Schnittstellenstandardisierung, initiiert durch das Zentralinstitut der kassenärztlichen Vereinigungen (Zi), beseitigt werden. Im Rahmen eines Projekts hat das Zi die Firma Famedly GmbH beauftragt, auf Basis der Technologien des Zi-Messengers eine herstellerunabhängige, bundesweit skalierbare Schnittstelle zum digitalen Fallaustausch zwischen 116117- und 112-Leitstellen umzusetzen.
Im Zuge des Projekts wurde die Entscheidung getroffen, auf Basis der durch den PMeV (Professioneller Mobilfunk e. V.) geschaffenen Schnittstelle Universal Control Room Interfaces (UCRI) eine bereits vorhandene Spezifikation für den Fallaustausch zu verwenden. Hersteller haben damit die Möglichkeit, die UCRI-Datentypen sowohl UCRI-nativ mit einem Matrix-Connector von Famedly zu nutzen, als auch diese direkt ohne Connector via Matrix zu versenden bzw. zu empfangen.
Die Matrix wird dabei im Hintergrund als dezentrale Messaging-Infrastruktur mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung genutzt. Diese Open-Source-Technologie wird aktuell schon von Behörden und im Gesundheitswesen genutzt und hat sich folglich als geeignete Technologie etabliert.
Damit nun alle in diesem Matrix-Verbund teilnehmenden Leitstellen bekannt und erreichbar sind, wurde parallel zum Matrix- Netzwerk ein Verzeichnisdienst mit allen teilnehmenden Personen und deren Erreichbarkeiten ins Leben gerufen. Damit kann jede teilnehmende Leitstelle als Sender und Empfänger agieren, ohne bei Teilnehmeränderungen Anpassungen am System vor- nehmen zu müssen.
Um die in diesem Zuge geschaffene Basis auch für zukünftige Anwendungsfälle möglichst offen zu halten, werden die über UCRI übermittelten Daten Matrix-intern gemäß FHIR-Standard weiterverarbeitet. FHIR (Fast Healthcare Interoperability Ressources) ist ein weltweiter Standard zum Datenaustausch im Gesundheitswesen und bietet diesbezüglich Potenzial für die Zukunft.
Neben der Famedly GmbH, die das Projekt technisch vorantreibt, sind viele namhafte ELS-Softwarehersteller im Projekt involviert. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels soll bereits eine Testumgebung etabliert sein, um mit Ende 2023 eine schrittweise Aufnahme in den Regelbetrieb zu starten.
Wenn auch Ihre Leitstelle Teil dieses zukunftsweisenden Netzwerkes zum Datenaustausch von Leitstellen werden soll, nehmen Sie bitte Kontakt mit Ihrem Ansprechpartner bei eurofunk auf.